Bambi-Effekt

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Das Kindchenschema. (© Disney)

Als Bambi-Effekt oder Bambi-Syndrom bezeichnet man die Ablehnung des Tötens und Verzehrs von Tieren, welche dank Kindchenschema als süß oder niedlich angesehen werden. Namensgeber und einer der vorrangigen Auslöser des Bambi-Effekts ist das Disney-MeisterwerkBambi“ (1942).[1] Der Begriff wurde das erste Mal 1972 in der US-amerikanischen Jagdpresse verwendet.[2]

Das Kindchen-Schema umschreibt die Merkmale des Kleinkindergesichts und den dazugehörigen Körperproportionen. Auf dem proportional großen Kopf ist eine hohe Stirnregion, welche das Gesicht relativ weit nach unten versetzt. Zum rundlichen Gesicht gehören große, runde Augen, eine kleine Nase und ein kleines Kinn, rundliche Wangen und eine weiche Haut. Während der Kopf im Vergleich zum Körper größer als bei Erwachsenen ist, sind die Gliedmaßen kürzer.[3] Das Kindchen-Schema tritt nicht nur beim Menschen, sondern auch bei manchen Jungtieren auf. Auch erwachsene Tiere können dank großen Augen und Stupsnase ins Kindchen-Schema fallen, zum Beispiel beim Reh, der Robbe und dem Kaninchen. Tiere, welche diesem Schema nicht entsprechen, sind zum Beispiel Schnecken, Hyänen und Haie.[1]

Beim Menschen sorgt das Kindchen-Schema des Nachwuchs für die Motivation notwendiger und förderlicher Fürsorge. Thomas Alley konnte 1983 nachweisen, dass Erwachsene sich weniger aggressiv und stärker schützend gegenüber Kindchenschema-gerechten Menschen verhalten als bei älteren Menschen, welche dem Kindchen-Schema entwuchsen.[3] Beim Tier reagieren Menschen ähnlich: Entsprechen diese dem Kindchen-Schema, verhalten sich Menschen weniger aggressiv und stärker schützend als wenn die Tiere dem Kindchen-Schema nicht entsprechen. Aus dem natürlichen Beschützerinstinkt dem eigenen Nachwuchs gegenüber wird eine verzerrte, vermenschlichte und verniedlichte Ansicht zur Natur, dem Bambi-Effekt.[1]

Bambi und seine Mutter (© Disney)

Auch in anderen Filmen als „Bambi“ wird das Kindchenschema bei Tieren eingesetzt, um diese dank Bambi-Effekt als schützenswert darzustellen. Einen besonderen Kontrast zwischen der gewöhnlich negativen Darstellung von Kanalratten und der cleveren und einfühlsamen Hauptfigur bildet der Film „Ratatouille“ (2007), in dem die Ratten nach dem Kindchen-Schema verniedlicht wurden, die meisten Figuren sie aber dennoch fürchten.[1] Auch das Design von Micky Maus wurde nach dem Bambi-Effekt vermenschlicht: Die Knopfaugen des ersten Designs wichen expressiven menschlichen Augen, das weiße Gesicht wurde durch einen menschlicheren Lachs-Farbton ersetzt.

Schurkenfiguren wie Monstro (aus „Pinocchio“) oder die Wölfe aus „Die Schöne und das Biest“ entsprechen im Kontrast oft nicht dem Kindchen-Schema, da keine beschützende Reaktion beim Zuschauer beabsichtigt ist.

In Parodien wird gerne mit dem Bambi-Effekt gebrochen: Die niedlichen Figuren verhalten sich wilder, tierischer, sündiger. Beispiele dafür sind die pornografischen Parodien „Luftpiraten“ und „Disneyland Memorial Orgy“.

Der Bambi-Effekt ist ein Aspekt des Natur-Defizit-Syndroms, welcher die Entfremdung des Menschen von der Natur umschreibt.[4] Waren Page schrieb als Redakteur der US-amerikanischen Jagd-Zeitschrift „Field and Stream“ bereits 1972 über die Auswirkungen des Disneyfilms in den USA und prägte den Begriff Bambi-Syndrom. In seinem Artikel schreibt er, dass „wir in diesem Land eine ganze Generation lang einer Gehirnwäsche unterzogen worden sind. Nicht nur unsere Kinder, auch unsere Frauen, unsere Brüder, unsere Mütter, unsere Vetter, unsere Schwäger sind seit 25 Jahren in Film und Fernsehen unentwegt mit dem Disney-Mythos bearbeitet worden. In Disneys wunderbarer Welt sind Tiere niedlicher als Menschen. Wölfe verbringen ihre Zeit mit Spielen wie kleine Kätzchen. Der Löwe und das Lamm lieben sich, und der Mensch ist der Unhold mit dem schwarzen Hut, [...] dessen Hauptziel es ist, Bambis Blut zu vergießen. Genau das ist das Bambi-Syndrom.“[2]

Folgen dieser Entfremdung sind auch in Deutschland von Soziologen beobachtet worden: Kühe werden von Kindern lila angemalt und Enten gelb. Die Schlussfolgerung war, „dass Kinder und Jugendliche die Natur zu einer idyllischen, harmonischen Parallelwelt idealisieren, in der der Mensch nichts verloren hat. Bäume zu pflanzen ist gut, Bäume zu fällen ist böse, und der Jäger ist sowieso ein Mörder.“[4][5] Damit wird zum Teil wieder der Disneyfilm „Bambi“ referiert, in dem der Mensch bzw. der Jäger der Schurke war, aber auch „Pocahontas“ (1995) kontrastiert das naturnahe Leben der Indianer mit dem zerstörerischen Eindringen der Engländer. Als ein weiteres Symptom des Bambi-Effekts wird der Anstieg des Vegetarismus bezeichnet. Außerdem wären Aktionen wie die Smokey Bear-Kampagne zur Verhinderung von Waldbränden effektiv, würden aber ebenfalls in ihrer Darstellung die Tierwelt verklären.[6]

„Wenn die jungen Menschen [der Natur] gleichwohl so rührend unter die Arme greifen wollen, so verbindet sich damit offenbar die Vorstellung von der Natur als einem drangsalierten, bedauernswerten, hilflosen Wesen, durch das alle menschlichen Pflegeinstinkte herausgefordert werden. Man muß für ihren Nachwuchs Sorge tragen (Bäume pflanzen), ihr in der Not beistehen (Vögel füttern) und sie hübsch herausputzen (Wald aufräumen). Die Natur erscheint aus dieser Sicht wie ein übergroßes Bambi, das einen aus unschuldigen Augen Hilfe suchend anschaut. Sein Kindchenschema wird offenbar der gesamten Natur übergestülpt.[5]
Rainer Brämer, „Das Bambi-Syndrom: Naturverklärung als Naturentfremdung“

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 „Bambi-Effekt“. wikipedia.org
  2. 2,0 2,1 Rainer Brämer (2007). „Bambi-Syndrom aus Disneyland: Ein notwendiger Nachtrag“. wanderforschung.de
  3. 3,0 3,1 „Kindchenschema“. wikipedia.org
  4. 4,0 4,1 „Natur-Defizit-Syndrom“. wikipedia.org
  5. 5,0 5,1 Rainer Brämer (1998). „Das Bambi-Syndrom: Naturverklärung als Naturentfremdung“. wanderforschung.de
  6. „Bambi effect“. wikipedia.org