Mickey-Mousing

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Als Mickey-Mousing wird eine Filmmusiktechnik bezeichnet, bei der die gezeigten Bilder punktgenau durch die musikalische Vertonung begleitet werden. Obwohl dieses Stilmittel der Tonmalerei bereits lange vor Walt Disneys Micky-Maus-Cartoons eingesetzt wurde, führte die häufige und prominente Verwendung des Stilmittels in Disney Cartoons zu dem von David O. Selznick etablierten Begriff. Heute wird das Stilmittel besonders häufig in Cartoons und Slapstick verwendet.

Geschichte[Bearbeiten]

Bereits in der Programm-Musik wurde diese Form der Tonmalerei verwendet:

  • In kirchlichen Messen symbolisiert ein pochender Rhythmus beim „Crucifixus“ die Hammerschläge, mit denen Christus ans Kreuz genagelt wird.[1]
  • In Jean-Jacques Rousseaus Ouvertüre zu seinem Bühnenstück „Pygmalion“ (1770) werden die Hammerschläge, mit denen ein Bildhauer seine Statue bearbeitet, musikalisch imitiert.[1]
  • In Mozarts letzter Komposition „Requiem“ (1791) wird eine ansteigende Tonfolge verwendet, um die Auferstehung der Toten zu schildern.[1]
  • In Joseph Haydns „Die Schöpfung“ (1796 bis 1798) wird in der Stelle „Und es ward Licht“ die Schilderung des Sonnaufgangs mit einer allmählich ansteigenden Tonhöhe begleiten.[1]

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts änderten sich die Trends und die beschreibende musikalische Untermalung verschwand aus vielen klassischen Stücken,[1] bis heute wird dieses Stilmittel von vielen Komponisten als zu schlicht und durchsichtig abgelehnt.[2] Im Unterhaltungstheater wurde es aber weiterhin eingesetzt,[1] auch später bei der musikalischen Untermalung von Stummfilmen.[3]

In unterschiedlichem Maß taucht diese Art der Tonmalerei in den Frühwerken Disneys auf. Die musikalische Untermalung von Bewegungen und Geräuschen führte schon in „Steamboat Willie“ (1928) dazu, dass Micky auf den Zähnen einer Kuh Xylophon spielen kann. Vorbilder vieler Musik- und Slapstick-Gags waren Vaudeville-Nummern jener Zeit.[4]

Als David O. Selznick 1932 Studiochef im Filmstudio RKO wurde, stieg auch der Anspruch an die Filme. Selznick ermutigte Filmkomponist Max Steiner, für so viele Filme wie möglich eine vollständige dramatische Vertonung zu liefern.[5] Steiner glaubte, Filmmusik müsse dem Aufbau der Dramaturgie dienen,[6] was mitunter studiointern auf Kritik stieß. Als Steiners Musik sich allzu sehr an die Bewegung der Akteure anlehnte, nannte Selznick diese Art des Komponierens humorvoll Mickey-Mousing.[2]

Mit „King Kong und die weiße Frau“ (King Kong, 1933) gilt Steiner als einer der ersten Filmmusik-Komponisten, der Mickey-Mousing im Spielfilm verwendete. Im Film verstärkte Steiner die Schritte eines Einheimischen mit Bassinstrumenten oder Kongs Erklimmen des Empire State Buildings mit Crescendos.[1] Ein weiteres Beispiel dieses dramaturgischen Zusammenspiels von Bild und Ton ist im Film „Der Verräter“ (The Informer, 1935) zu sehen: In einer Schlüsselszene betrachtet ein politischer Gefangener in seiner Zelle das von der Decke tropfende Wasser. Durch tagelange Arbeit am Set gelang es Steiner, das Tropfen des Wassers mit der Musik zu synchronisieren und so nicht nur die Trostlosigkeit der Situation zu zeigen, sondern durch die musikalische Untermalung sogar zu steigern.[7]

In einem Memo von Selznick an Story-Editor Katharine Brown vom 30. August 1937 beschrieb er den Begriff:

„This was one of my long-standing arguments with Max [Steiner, composer], and his point in turn was based upon something else which was the root of our decision to get a divorce, which was my objection to what I term “Mickey Mouse” scoring: an interpretation of each line of dialogue and each movement musically, so that the score tells with music exactly what is being done by the actors on the screen. It has long been my contention that this is ridiculous and that the purpose of a score is to unobtrusively help the mood of each scene without the audience being even aware that they are listening to music – and if I am right in this contention, why can’t the score be prepared from the script even though cuts and rearrangements may be necessary after the picture is edited – for the basic selection of music and general arrangement would not be affected by these cuts.[8]
„Dies war einer meiner langjährigen Streitpunkte mit Max [Steiner, Komponist], und sein Argument basierte wiederum auf etwas anderem, das der Grund für unsere Entscheidung war, uns scheiden zu lassen, nämlich auf meinem Einwand gegen das, was ich als "Mickey Mouse"-Vertonung bezeichne: eine musikalische Interpretation jeder Dialogzeile und jeder Bewegung, so dass die Partitur mit der Musik genau das erzählt, was die Schauspieler auf der Leinwand tun. Ich behaupte seit langem, dass dies lächerlich ist und dass der Zweck einer Filmmusik darin besteht, die Stimmung jeder Szene unaufdringlich zu unterstützen, ohne dass das Publikum überhaupt merkt, dass es Musik hört - und wenn ich mit dieser Behauptung Recht habe, warum kann die Filmmusik nicht auf der Grundlage des Drehbuchs erstellt werden, auch wenn nach dem Schnitt des Films Kürzungen und Umstellungen erforderlich sein mögen - denn die grundlegende Auswahl der Musik und das allgemeine Arrangement würden durch diese Kürzungen nicht beeinträchtigt.“
David O. Selznick, Memo from David O. Selznick

Die „Scheidung“ der Geschäftsbeziehungen im Zitat hielt übrigens nicht lange vor, bis Selznick und Steiner wieder zusammenarbeiteten.[9]

Der Erfolg gab Steiner insgesamt recht: Steiner wurde in seinem Leben als „Vater der Filmmusik“ 24 Mal für den Oscar nominiert, den er dreimal gewann.[10]

Durch den Einsatz des Stilmittels in Max Steiners Musik zu „King Kong und die weiße Frau“ verwendete es Walt Disney auch häufiger. Klettert eine Figur zum Beispiel eine Leiter hinauf, so wird mit jedem Schritt eine einzelne Note gespielt, von unten nach oben die Tonleiter aufsteigend.[11] Auch im Film „Pinocchio“ (1940) wurde mit Mickey-Mousing jeder Schritt der Titelfigur von einem Glissando begleitet und ein Sturz mit einem tiefen Paukenschlag.[1] Laut Carl Stalling wurde während der Animation die Musik komponiert und aufgenommen, doch Wilfred Jackson erinnert sich auch daran, dass die Musik oft als letztes aufgenommen wurde, damit diese nicht von vorherigen Änderungen an der Animation beeinflusst wird.[12] Ausnahmen bildeten klassische Stücke, zu denen animiert wurde. So wurde zum Beispiel in „Fantasia“ (1940) Mickys Zerhacken der Besen auf Paul Dukas' Musikstück „Der Zauberlehrling“ synchronisiert und nicht umgekehrt.[13] In einigen Teilen der Dokumentarfilmreihe True-Life Adventures wurden Realfilmaufnahmen zu Musik synchronisiert.[13]

Filmkomponist John Barry bezeichnete seine Musik zu „James Bond“ als „million dollar mickey mouse music“, wobei er sich zum Beispiel auf seinem Einsatz von Stingern und der Synchronisation der Kampfszenen zur Musik bezog.[9]

Trivia[Bearbeiten]

Das Stilmittel des Mickey-Mousings bzw. der Tonmalerei hatte schon beinahe so lange Kritiker, wie es existiert. Schon Beethoven erklärte zu seiner „Pastoralsinfonie“ (1808), dass sie „mehr Ausdruck der Empfindung als Mahlerey“ wäre.[1] Trickfilmzeichner Chuck Jones kritisierte 1946 den Fokus der Komponisten auf punktgenaue Synchronisation: „Aus irgendeinem Grund sind viele Cartoon-Musiker mehr mit exakter Synchronisation oder "Mickey-Mousing" beschäftigt als mit der Originalität ihres Beitrags oder der Vielfalt ihres Arrangements.“ („For some reason, many cartoon musicians are more concerned with exact synchronization or 'Mickey-Mousing' than with the originality of their contribution or the variety of their arrangement.“)[13] Filmregisseur Jean Cocteau nannte 1954 Mickey Mousing sogar „die vulgärste aller Filmmusiktechniken“.[7]

Eine abgeschwächte Version des Mickey-Mousing ist das Underscoring, bei dem atmosphärische Hintergrundmelodien eingesetzt werden, welche es dem Zuschauer vereinfachen, die Situation oder den Handlungsort zu erfassen.[14][15]

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 „Mickey-Mousing“. wikipedia.org
  2. 2,0 2,1 „mickey mousing“. filmlexikon.uni-kiel.de
  3. „Mickey Mousing“. tvtropes.org
  4. „Mickey Mousing“. swissfilmmusic.ch
  5. Steven C. Smith. „Music by Max Steiner: The Epic Life of Hollywood's Most Influential Composer“. academic.oup.com
  6. Myrl A. Schreibman. „On Gone with the Wind, Selznick, and the Art of "Mickey Mousing": An Interview with Max Steiner“. jstor.org, ursprünglich erschienen in: „Journal of Film and Video“ Vol. 56, No. 1 (Frühling 2004), S. 41-50
  7. 7,0 7,1 Peter Wegele. „Mickey Mousing“ in: „Max Steiner und die Filmmusik des Golden Age in Hollywood. Eine kurze Betrachtung der wichtigsten stilistischen Merkmale anhand der Musik Steiners zum Film Casablanca“. publikationen.ub.uni-frankfurt.de
  8. sheila (30.04.2010). „Memos from David O. Selznick“. sheilaomalley.com
  9. 9,0 9,1 „‚Mickey-mousing‘ origin“. filmscoremonthly.com
  10. „Max Steiner“. wikipedia.org
  11. „Mickey-Mousing“. animania.de
  12. „FUNNYWORLD REVISITED: Carl Stalling“. michaelbarrier.com, ursprünglich aus Funnyworld 13 (1971)
  13. 13,0 13,1 13,2 „Mickey Mousing“. wikipedia.org
  14. „Underscoring“. wikipedia.org
  15. „Die Techniken der Filmmusik“. Rötter et al. (2007). Musikpsychologie. Laaber-Verlag. rhgym-hagen.de