Die Disney-Studios im Krieg

Aus Duckipedia
(Weitergeleitet von Disneys Kriegspropaganda-Filme)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Diese DVD beinhaltet die Wartime- und Propagandacartoons von Disney. (© Disney)

Der Artikel Die Disney-Studios im Krieg behandelt einen Zeitabschnitt in der Geschichte der Walt Disney Company. Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs gab es studiointern einige Veränderungen und auch die Produktionen des Studios unterschieden sich aus mehreren Gründen von denen, die in den Jahren vor dem Krieg erschienen.

Zusätzliche Informationen findet ihr unter Dark Ages.

Vor dem US-Kriegseintritt[Bearbeiten]

Von der Machtergreifung Hitlers waren damals nur wenige Staaten (wirtschaftlich) betroffen. Einige Länder außerhalb Europas führten den Handel mit Deutschland wie zuvor weiter, so auch die USA und ihre Filmindustrie. Einige der Micky-Maus-Cartoons, darunter Steamboat Willie (unter dem Namen Ein Schiff streicht durch die Wellen) und Donald Ducks erster Auftritt, The Wise Little Hen, kamen deshalb auch nach Deutschland, wo sie allerdings nicht sehr lange aufgeführt wurden.

Adolf Hitler in Reason & EmotionDisney)

Von Schneewittchen und die sieben Zwerge wurde sogar eine deutsche Synchronisation angefertigt, die allerdings nie öffentlich aufgeführt wurde. In den anderen Staaten Europas, in die der Film, wenn nötig, mit einer eigenen Synchro verkauft wurde (England, Frankreich, Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Spanien), lief der Film sehr erfolgreich und Disney erhielt die Einnahmen. Mit diesen finanzierte Walt Disney die Produktion von Pinocchio. Außerdem finanzierte er den Bau des neuen Disney-Studios, das von Kem Weber, einem Anhänger moderner Architektur, entworfen wurde und in Burbank lokalisiert war.

Nachdem Europa 1939 durch Hitler in den Krieg gestürzt wurde, entfiel für die amerikanische Filmindustrie der europäische Außenmarkt. Auch Disney spürte dies: Die fehlenden Einnahmen aus Europa sorgten dafür, dass Pinocchio seine Kosten nicht einspielen konnte und somit nur als Flop zu bezeichnen war.

Aufgrund des finanziellen Loches, das Pinocchio in Disneys Kassen schlug, und der wegen des Kriegs schwächelnden Finanzlage musste Disney zudem darauf verzichten, sein nächstes Projekt, Fantasia, mit dem von ihm entwickelten Fantasound auszustatten.

Nach dem Angriff auf Pearl Harbor[Bearbeiten]

Werbe-, Unterrichts- und Propagandafilme[Bearbeiten]

Das Buch Disney Dons Dogtags zeigte eine Auswahl der Logos für Stationen, die das Disney-Studio anfertigte (© Disney)

Anfang 1941 entschied sich Walt Disney dazu, mit Trickfilmen dem Militär zu dienen, genauer gesagt mit Ausbildungsfilmen. Der Grund für diese Idee war, dass Disney in Trickfilmen die Möglichkeit sah, Dinge darzustellen, die der Realfilm nicht konnte. Das Innenleben eines Menschen oder die Zerstörung von ganzen Flugzeugen war mit Zeichnungen wesentlich einfacher zu zeigen.

Außerdem hatte Walt Disney so eine Garantie dafür, dass das Studio während des Kriegs nicht schließen muss, da es so sehr nützlich für Amerika sein würde. Das erste Ergebnis dieser neuen Geschäftsstrategie war Four Methods of Flush Riveting für Lockheed Aircraft. Außerdem begann Disney damit, Maskottchen und Logos für Stationen und Truppen zu entwerfen.

Diese beiden zusätzlichen Zweige der Disney-Studios wurden schließlich zu den produktivsten und wichtigsten, als Pearl Harbor angegriffen wurde. Nun befand sich auch Amerika im Krieg. Das Studio wurde vom Militär genutzt, sowohl räumlich als auch produktionstechnisch.

Da staunen nicht nur Minnie und Pluto: Aus Fett kann man Sprengstoff machen! (© Disney)

Während die Parkhäuser als Lagerräume genutzt wurden und das Tonstudio als Reparaturwerkstatt für Flugzeuge, wurde Disney zudem in die Herstellung streng geheimer Trainingsfilme eingebunden. Neben diesen exklusiven Filmen für das Militär stellte Disney jedoch auch im Auftrag der Regierung Kurzfilme für das Volk her. Diese sollten die Amerikaner auf unterhaltsame Art und Weise über den Krieg und seine Folgen informieren. So produzierte Disney für das Landwirtschaftsministerium den Cartoon Food Will Win the War. Der Cartoon Out of the Frying Pan into the Firing Line dagegen zeigte, wie aus Fett Sprengstoff gewonnen wird. Der bekannteste all dieser Auftragsfilme ist aber The New Spirit für das Finanzministerium. Dieser Donald-Duck-Cartoon rief dazu auf, rechtzeitig seine Steuern zu zahlen. Er wurde für einen Oscar in der Kategorie Dokumentation nominiert und das Ministerium verzeichnete im Jahr seiner Veröffentlichung (1942) tatsächlich eine verbesserte Steuerbilanz. Aufgrund dessen entschied man sich dazu, dem Film im Jahr darauf eine Fortsetzung (The Spirit of '43) zu geben.

Ebenfalls zu erwähnen sei an dieser Stelle die Zusammenarbeit für den Koordinator für interamerikanische Beziehungen. In dieser Kooperation entstanden bei Disney zahlreiche Lehrfilme für den lateinamerikanischen Raum, die eine große Bandbreite von Themen abdeckte. Vom Bau einer Toilette bis zur Bekämpfung von Moskitos war alles vertreten.

Plakat zu Education for Death (© Disney)

Es gab zudem auch zahlreiche Anti-Nazi-Propagandafilme zu dieser Zeit, die im Gegensatz zu den Werbe- und Trainingsfilmen keine Auftragsarbeiten waren, sondern von Disneys Trickabteilung aus eigenem Antrieb geschaffen wurden. Einer dieser Kurzfilme ist Reason & Emotion, ein Film, der kurzweilig erklärt, inwieweit der Mensch von seinem Verstand und von seinen Gefühlen geleitet wird. Im letzten Segment des Filmes wird gezeigt, wie Hitler das deutsche Volk durch Anwendung von manipulativen Reden von sich überzeugen konnte.

(© Disney)

Während dieser Cartoon erst gegen Ende den Weltkrieg (beziehungsweise das Naziregime) thematisiert und deshalb in geschnittener Form nach dem Krieg wieder verwendet wurde, hatte der Cartoon Education for Death ausschließlich das Naziregime als Thema. Der Cartoon zeigt eine fiktive, aber mögliche Biographie eines deutschen Kindes unter der Herrschaft der Nazis. Auffällig ist die für lange Zeit beispiellose Nichtstereotypisierung der Deutschen zur Zeit Hitlers. Im Cartoon wird nämlich nicht verbreitet, dass alle Deutschen der Nazi-Ideologie folgen (was in den Medien der damaligen Zeit das geläufige Bild war), sondern wie ein Junge gegen seinen anfänglichen Willen zum Nazi „erzogen“ wird und deshalb stirbt. Dies wird in sehr beklemmenden Bildern gezeigt, sodass die Aussage, die das Studio verbreiten möchte, unmissverständlich klar wird.

Donald als unfreiwilliger Nazi in Der Fuehrers Face (© Disney)

Der wohl bekannteste Propagandafilm der 40er-Jahre ist jedoch Der Fuehrers Face von 1943. Seinen Ruhm hat der Cartoon wohl unter anderem seiner Hauptfigur Donald Duck zu verdanken, ebenso wie dem Umstand, dass er als bester Cartoon mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Zudem profitierte die Popularität dieses Films von dem gleichnamigen Titelsong. Er wurde ein landesweit bekannter Ohrwurm und sogar von einigen Truppen an der Front gesungen.

Auswirkungen auf die Classic Cartoons[Bearbeiten]

Disney griff den Krieg auch in den regulären Cartoons auf. Dies lag daran, dass immer mehr Amerikaner als Soldaten eingezogen wurden. Deshalb gab es zunehmend mehr Menschen, die mit dem Militär konfrontiert wurden. Donald Duck und Co sollten sozusagen als Identifikationsfiguren fungieren. In den „Wartime Classic Cartoons“ befinden sich die klassischen Disneyfiguren jedoch nicht im Krieg, sondern sind lediglich dem Alltag eines Soldaten (zumeist im Lager) ausgesetzt. Bloß in einem Donald-Duck-Cartoon wurde der Erpel auf eine Kriegsmission geschickt (Commando Duck)

Donald Duck bei der Anmeldung zum Militärdienst (© Disney)

Der erste dieser Cartoons zeigte bezeichnenderweise auch den Anfang einer damals normalen Militärkarriere: Donald Duck lässt sich von der Werbung der Army umgarnen und sich deshalb einziehen, wobei er bei der Musterung nicht die beste Figur macht. Auffällig ist der ironische Ton, mit dem Disney der Army in diesem Cartoon entgegentritt. Das von Carl Barks getextete Lied The Army is not the Army anymore strotzt vor ironischen Spitzen gegen die Werbemethoden der Armee.

In fünf weiteren Cartoons folgt der Zuschauer Donalds Karriere bei der Armee, unter anderem als unsichtbarer Soldat und als Ein-Erpel-Kommando. Ein weiterer Cartoon zeigt Donald gemeinsam mit seinen Neffen als Wachposten, jedoch gehört dieser Cartoon nicht zum „Kanon“ der anderen Donald-Kriegscartoons, da in diesem Cartoon nicht explizit erwähnt wird, dass Donald bei der Armee ist. Stattdessen könnte der Film auch Donald zeigen, wie er seine Aufgabe in einer freiwilligen Bürgerorganisation oder Ähnlichem erfüllt.

Goofys alternatives Transportmittel (© Disney)

Auch Pluto wird in zwei Cartoons bei der Armee gezeigt, einmal als The Army Mascot und einmal als erfolgloser Bekämpfer von Chip und Chap, die ihren ersten Auftritt auf einem Militärgelände hatten. Auch Goofy ist zweimal in Kriegscartoons zu sehen, einmal zeigt er im Stil eines Unterrichtsfilms, wie man das Transportationsproblem in der zivilen Welt lösen kann, ein andermal zeigt er, wie man Matrose (bei der Marine) wird. Dass Micky Maus nicht verwendet wurde, ist eine Folge von seiner schwindenden Popularität seit Ende der 30er. Man sah ihn nicht mehr als mögliche Identifikationsfigur, also verwendete man ihn auch weniger.

Auswirkungen auf die Langfilme[Bearbeiten]

Plakat zu Onkel Remus' Wunderland (© Disney)

Der Krieg brachte nicht nur finanzielle Probleme nach Amerika, sondern sorgte auch in vielen Bereichen für einen Mangel an Arbeitskräften, was auch die Disney-Studios betraf. Zahlreiche Mitarbeiter wurden als Soldaten eingezogen. Aufgrund dessen übernahmen einige der Frauen aus der Tuschabteilung die Stellen der Zeichner. Dennoch wurde klar, dass die Produktion solcher Filme wie Schneewittchen und die sieben Zwerge und Pinocchio unmöglich sei. Zudem waren weite Teile der Kapazität verbraucht, da Trainingsfilme für das Militär produziert werden mussten. Um dennoch weiter lange Filme produzieren zu können, entschied man sich dazu, Episodenfilme zu produzieren. Sie waren wesentlich kostengünstiger als lange Filme, hatten aber größeres Einnahmepotential als Kurzfilme. Als Vorlage für die sogenannten Package Movies (Saludos Amigos, Drei Caballeros, Make Mine Music, Fröhlich, Frei, Spaß dabei, Musik, Tanz und Rhythmus und Die Abenteuer von Ichabod und Taddäus Kröte) waren zum Großteil amerikanische Volkssagen und -märchen sowie heruntergekürzte Projekte, die ursprünglich als Langfilm gedacht waren. Die ersten beiden der genannten Filme waren zudem Ergebnis einer Good Will Tour.

Außerdem begann Disney damit, Filme mit Realfilmsequenzen zu drehen, weil diese wesentlich schneller und kostengünstiger zu produzieren waren. Doch aufgrund seiner Befürchtung, dass niemand einen Disneyfilm ohne Zeichentrick sehen wolle, arbeitete Walt Disney geschickt Tricksequenzen in die Handlungen dieser Filme ein. Walt Disneys Geheimnisse war eine „Dokumentation“ über die Arbeit in den Trickstudios, die auch mit zahlreichen Tricksequenzen bereichert wurde. Der nächste Mischfilm war Onkel Remus' Wunderland, eine Geschichte, die Walt Disney schon länger erzählen wollte. An sich ist er ein reiner Spielfilm, der durch drei Trickfilmszenen (mit kurzen Mischsequenzen) angereichert wurde. Dasselbe gilt auch für den letzten Mischfilm, Ein Champion zum Verlieben‏‎.

Gesondert erwähnt sei noch die Doku Victory Through Air Power, ein weiterer kriegsthematisierter Film der Disney-Studios, in dem mithilfe von Tricksequenzen erklärt wurde, wie effektiv Langstreckenbomber im Zweiten Weltkrieg wären. Walt Disney schickte eine Kopie des Films an Winston Churchill und den damaligen US-Präsidenten Roosevelt. Erst nachdem die beiden den Film gesehen haben, stimmte Roosevelt dem Einsatz von Langstreckenbombern zu.

Disney in der Nachkriegszeit[Bearbeiten]

Die (vor allem finanziellen) Auswirkungen des Kriegs verfolgten die Disney-Studios noch lange Zeit. Erst 1950 konnte mit Cinderella der nächste „echte“ Disneyfilm nach Bambi von 1942 veröffentlicht werden. Im selben Jahr erschien auch der erste „reine“ Spielfilm von Disney: Die Schatzinsel. Der Grund dafür war, dass England sämtliche Einnahmen während des Kriegs einfror und auch nach dem Krieg nicht zum Transfer in andere Länder bereitstellte. Um das Geld verwenden zu können, musste Disney im Vereinigten Königreich produzieren. Sehr früh entschied sich Walt Disney persönlich dazu, drei Abenteuerfilme auf der Insel zu drehen, deren Dreh er auch selbst überwachte.

So unsichtbar, wie sich Donald in diesem Cartoon machte, so unsichtbar machte Disney seine Kriegsproduktionen in den Nachkriegsjahren (© Disney)

Die Produktionen aus der Kriegszeit wanderten derweil in das Archiv. Während die Package Movies zunächst in ihre Segmente unterteilt wurden und diese wiederum als eigenständige Filme ins Kino kamen, verschwanden die „Wartime Classic Cartoons“ vorerst von der Bildfläche, ebenso wie die Propaganda- und Werbefilme. Während die Classic Cartoons, die beim Militär spielten, nach einiger Zeit wieder verwendet wurden (z. B. auf Videos mit Cartoonsammlungen oder bei TV Specials), wurden die direkt mit dem Zweiten Weltkrieg verbundenen Filme nicht mehr gezeigt oder genutzt. Aufgrund dessen erreichten sie bei Disneyfans einen gewissen Kultstatus. Trotzdem blieben sie jahrelang unbekannt und gerieten außerhalb der Disneyfankreise in Vergessenheit. Es gab jedoch auch Ausnahmen: Reason & Emotion wurde ohne Nazi-Bezüge für eine Ausgabe von Walt Disney's Wonderful World of Color‏‎ benutzt, vereinzelte Bilder aus Der Fuehrers Face fanden ihren Weg in die Donald-Duck-Fachliteratur. Mit dem Aufkommen des Internets erreichten auch die Kriegscartoons neuen Ruhm, sie kursierten (und kursieren weiterhin) als Raubkopien im Netz und gelten vor allem bei Jugendlichen als sehenswerte Kuriositäten. Im Rahmen der an erwachsene Fans gerichteten „Walt Disney Treasures“-DVD-Reihe erschien im Mai 2004 die Doppel-DVD On the Front Lines. Damit stillte man die Fanbegierden und wirkte außerdem (möglicherweise beabsichtigt) der Verbreitung der Disney-Kriegscartoons durch das Internet entgegen.