Meister seines Fachs

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Meister seines Fachs ist die inoffizielle deutsche Bezeichnung für ein Genre von Donald-Duck-Comics, in denen Donald in einem bestimmten Bereich oder Berufsfeld kurzzeitig großen Erfolg hat, letztlich aber immer an seiner Selbstüberschätzung und/oder durch äußere Einflüsse scheitert.

Bezeichnung

Donald als Meister seines Fachs in Glück und Glas (1959) (© Egmont Ehapa)

Geprägt wurden die „Meister seines Fachs“-Storys vor allem durch Carl Barks, nach dessen Comicgeschichte Ein Meister seines Fachs (Übersetzung von Frau Dr. Erika Fuchs) letztlich dieses spezielle Genre im deutschsprachigen Raum inoffiziell benannt wurde. Zahlreiche andere Künstler griffen die Thematik auf und entwickelten eigenständige Geschichten mit dem weitestgehend identischen Konzept.

Im Englischen wird das Genre von Fans unter dem Namen „Brittle Mastery“ (dt. etwa „Brüchige Beherrschung“, „Spröde Meisterhaftigkeit“) zusammengefasst. Das Wort „Master“ findet sich in einer Reihe von originalsprachigen Titeln dieser Geschichten wieder, zum Beispiel The Master Rainmaker (Der Regenmacher), The Master Mover (Ein Meister seines Fachs), The Master Wrecker (Der große Zerstörer) oder The Master Glasser (Glück und Glas).

Analyse

Einteilung

Die Meister seines Fachs Geschichten lassen sich Geoffrey Blum und Thomas Andrae zufolge in drei Kategorien einteilen, wobei sie jedoch betonen, dass die Grenzen zum Teil auch fließend sein können.[1] Es geht bei der Einteilung nicht unbedingt um einen richtigen Beruf, sondern über weite Strecken um Donalds Drang zur Selbstverwirklichung. Im Gegensatz zu den klassischen „Meister seines Fachs“-Geschichten, bei denen vom Anfang bis zur Klimax die Erfolge in ihrer Wertigkeit steigen, ist bei den Storys um Donalds „fixe Ideen“ oft schon von Beginn an Sand im Getriebe und es kommt fortwährend zu kleineren Pannen, die in einer großen Katastrophe münden.

Die Differenzierung wird dadurch vorgenommen, worin genau das „Fach“ – also der „Job“ – von Donald besteht und worin die Motivation zum Handeln besteht. Diese kann sich nach drei verschiedenen Gesichtspunkten richten:

Auftrag: Donald erhält am Anfang der Geschichte einen Auftrag, etwas vorzubereiten oder umzusetzen, nicht selten von Onkel Dagobert oder dem Bürgermeister. Donald versucht entweder, mit möglichst wenig Einsatz die Aufgabe so schnell wie möglich zu erledigen, oder aber geht mit großem Enthusiasmus an die Arbeit, wird übermütig und schlägt sämtliche gut gemeinten Ratschläge in den Wind.

Beruf: In diesen Fällen hat Donald meist schon zum Anfang einen neuen Beruf, in denen er ein (verborgenes) Talent ausüben darf und damit beachtliche Erfolge erzielt. Die Erfolge sind nicht nur finanzieller Natur, sondern vor allem schmeicheln sie Donalds Ego, der sich in Ruhm und Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sonnt. Hierunter fallen auch die klassischen „Meister seines Fachs“-Geschichten – damit ist gemeint, dass Donald seinen Beruf am Anfang noch perfekt beherrscht, er schließlich aber doch unter irgendwelchen Umständen daran scheitert.

Fixe Idee: Manchmal hat Donald aber auch selbst eine pfiffige Idee und möchte auf eigene Faust in einem bestimmten Bereich einen Erfolg erzielen, zum Beispiel ein Duell bzw. einen Wettkampf gewinnen.

Grundmuster und Aufbau

Im Gutenberghus-Leitfaden zu den Disney-Charakteren, der 1978 entstand, wird als eine Möglichkeit zu Donalds Berufen geschrieben:

„Als Eigentümer eines Unternehmens, der als eine Art Experte agiert. Erledigt seine Aufgaben sehr zufriedenstellend, bis ihm die alles entscheidende Aufgabe übertragen wird, bei der er katastrophal versagt.“[2]

In „Es auf Barks' Art und Weise tun“ erklärt Freddy Milton das Konzept am Beispiel des Comics „Eine saubere Sache“, den er zusammen mit Daan Jippes kreierte (Text und Comic wurden in Hall of Fame 15 abgedruckt.) Im Mittelpunkt der Geschichte stehe ein selbstbewusster Donald, der sein Können als Kunst betrachtet. Zu Beginn der Geschichte stünde eine Szene, in der er auch sein Können beweisen kann, doch seine Arroganz verhindert, dass er Aufträge annimmt, die er als seiner nicht würdig betrachtet. Die Drillinge, wenn sie denn auftreten, dienen als griechischer Chor, welcher die Handlung kommentiert, aber nicht nennenswert eingreift. Die Katastrophe, auf die es hinausläuft, versucht Donald oft im letzten Panel zu entkommen, indem er der Stadt entflieht.[3]

Geoffrey Blum und Thomas Andrae fassen das Grundmuster der „Meister-seines-Fachs“-Storys wie folgt zusammen:

„Donald, ein wahrlicher Meister in seinem Fach, wird von Kundenn mit äußerst ungewöhnlichen, um nicht zu sagen unrealisierbaren Wünschen aufgesucht. In zwei bravourösen Vorstellungen meistert er die ihm gestellten Aufgaben. Schließlich steigt ihm der Erfolg zu Kopf, er wird entweder anmaßend oder etwas anderes läuft schief, und die dritte und größte Herausforderung endet in der Katastrophe – häufig vor Publikum. Am Ende muss er sich Hals über Kopf aus dem Staub machen, um sich in Sicherheit zu bringen.“[4]

Im Comic Unmögliche Umzüge (MMM 4/2024) beschreibt Donald das Dilemma wie folgt: „Es ist ja nett, ein Meister seines Fachs zu sein. Doch hat die Ente erst mal Erfolg, so bedrängt sie bald die Langeweile. Was ich brauche, ist eine Herausforderung. Etwas besonders Aufregendes und ganz Neues.“

Jeder Auftrag wirkt wie eine lang geprobte, bühnenreife Aufführung vor einem beifallspendenden Publikum. --> Drei Stufen-Schema


Donalds Motive

Das grundlegende Motiv in den „Meister seines Fachs“-Geschichten liegt in dem Zwiespalt zwischen Donalds gewohnter Faulheit und seinem Enthusiasmus, seinen Willen durchzusetzen und etwas zu schaffen.

Dass Donald sich gern weigert, einer unliebsamen Tätigkeit nachzugehen, die ihm von außen aufgezwungen wird, ist bereits in seinem ersten Auftritt in The Wise Little Hen aus dem Jahr 1934 angelegt. Darin täuscht er Bauchschmerzen vor, um sich vor der Arbeit zu drücken, die er laut Mrs. Hen eigentlich erledigen sollte. Bekanntermaßen neigt Donald zum Müßiggang, widmet sich mit Ausdauer seinen Hobbys und braucht viel geruhsamen Schlaf. Allerdings braucht er hin und wieder Geld, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und seine Neffen Tick, Trick und Track zu versorgen. Wenn Donald arbeitet, dann zumeist widerwillig und nicht aus freien Stücken, sondern aufgrund bestimmter Aufträge von anderen Personen.

Was Donald antreibt, ist jedoch nicht immer die Aussicht auf vermeintlich schnell verdientes Geld, sondern auch sein ausgeprägter Ehrgeiz. In den „Meister seines Fachs“-Geschichten trifft regelmäßig beides zusammen. Entgegen seinem häufig zu beobachtenden Ziel, mit möglichst geringen Mitteln großen Absatz zu erlangen und seine Aufgaben zu erledigen, ist Donald in diesem Sub-Genre ungewöhnlich kreativ und aktiv zugleich. Er lernt sehr schnell und ist sehr wissbegierig, um ein Profi zu werden.

Donals als Abrissunternehmer in Der große Zerstörer (© Egmont Ehapa)

Während sein „Genie“ in den meisten anderen Geschichten belächelt wird und direkt in eine vorhersehbare Katastrophe mündet, sind die „Meister seines Fachs“-Geschichten dadurch gekennzeichnet, dass Donald Ruhm und Ehre zuteil werden und er ein gutes finanzielles Einkommen erzielt. Die Anerkennung basiert in diesen Fällen nicht auf Tricks oder Hochstapelei von Donald, sondern tatsächlich auf dessen Fähigkeiten. Es wird immer wieder deutlich, dass ihm sein großes Selbstvertrauen, seine Überzeugung und seine ausgeprägte Fantasie dabei helfen, zumindest kurzfristig erfolgreich zu sein. Oft kniet er sich mit großer Leidenschaft in teilweise obskure und bizarre Tätigkeiten hinein. In relativ kurzer Zeit entwickelt Donald sich zu einer (selbsternannten) Koryphäe auf einem Spezialgebiet. In dieser Position ist er dann zu Handlungen in der Lage, die (überspitzt gezeichnet) weit über die Fähigkeiten gewöhnlicher Menschen hinausgehen. Den normalen menschlichen Sphären entrückt wird Donald kurzfristig zu einer Art Gott.[5]

Die Erfolge sind Donald vor allem immer dann beschieden, wenn er sehr frei agieren kann und ihm keine Grenzen gesetzt werden. In den „Meister seines Fachs“-Geschichten kennzeichnet Donald oft ein großer Hang zur Selbständigkeit. Sollte er anfangs noch angestellt sein, eröffnet er daher in diesen Geschichten meist ein eigenes Unternehmen. Hierin unterscheiden sich die Geschichten von denen aus den 1940er Jahren, in denen Donald auf schnelles Geld aus war, sich aber zu unüberlegt und dreist aufgeführt hat, um einen Job als Angestellter über einen längeren Zeitraum zu behalten. Nicht selten verliert er sich in einem Kleinkrieg gegen fremde Personen und will mit dem redensartlichen Kopf durch die Wand. Als Angestellter ist Donald stets darum bemüht, keine Fehler zu machen und seinem Arbeitgeber keine Schande zu machen. Indem er versucht, die Ablehnung durch andere zu verhindern, macht er sich aber selber immer größere Probleme. „Sein Gegenstück aus den 1950er Jahren ist ebenfalls versessen auf Erfolg, agiert aber nicht so aufdringlich und abstoßend. Nun versucht er, ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu werden.“[6] Donalds Motivation kommt nun nicht mehr (ausschließlich) von innen heraus, sondern wird auch von außen beflügelt. Nun ist es ihm wichtig, wie die Leute um ihn herum über ihn denken. Scham- und Schuldgefühle werden später zu Schlüsselthemen.

Durch seine Erfolge werden schnell andere Personen auf Donalds Künste aufmerksam, bis Donald in aller Öffentlichkeit bekannt ist. Das steigert einerseits sein Ansehen, andererseits bestätigt der Ruhm ihn darin, sich immer wieder neu zu übertreffen. Stets versucht er, sich und sein Können unter Beweis zu stellen. Immer wieder sucht Donald nach noch größeren Herausforderungen und wendet enorme Ressourcen und Kraftanstrengungen auf, um sein Ziel zu erreichen. Hierdurch wird ein Spannungsfeld erzeugt, da nicht immer absehbar ist, ob Donalds Pläne funktionieren oder durch Missgeschicke oder andere äußere Einflüsse scheitern. Donald erklimmt Sisyphos gleich immer wieder den Gipfel höchster Könnerschaft, nur um durch unvorhergesehene Kleinigkeiten an den ewigen Pranger des Versagens gestellt zu werden. Regelmäßige Katastrophen sind an der Tagesordnung, weil Donald sein Handeln nicht vollends überblicken oder bis zum Ende durchdenken kann.

Nebenfiguren

In den „Meister seines Fachs“-Geschichten treten regelmäßig Nebenfiguren auf, die das Handeln von Donald begleiten, es bisweilen sogar bedingen oder hierdurch beeinflusst werden.

Onkel Dagobert und Tick, Trick und Track sind dabei nicht ausschließlich Donalds Kontrahenten. Vor allem die Neffen nehmen häufig eine gegenteilige Rolle ein, indem sie als Donalds Helfer fungieren. Ab und zu unterstützen sie ihren Onkel Donald auch bei dessen Plänen und erledigen kleinere Hilfstätigkeiten, zum Beispiel das Buchen von Kundenterminen oder das Besorgen von Equipment.

In gewisser Weise fungieren die Neffen auch als Donalds soziales Gewissen. Manchmal sind sie damit erfolgreich, manchmal machen sie die Dinge durch ihren Aktionismus oder mangelnde Kommunikation mit Donald aber nur noch schlimmer. In manchen Fällen agieren die Neffen nur passiv und bleiben die gesamte Geschichte über skeptisch. Als Stilelement erheben sie den „moralischen Zeigefinger“, wenn sie jedes Ereignis und jede Tat ihres Onkels kommentieren. In dieser Funktion werden sie bisweilen mit dem Chor aus der griechischen Tragödie assoziiert, der genau wie sie stets passiv bleibt und das Geschehen nur kommentiert und zusammenfasst, ohne einzugreifen.[7][3] Häufig versuchen sie, Donald wertvolle Ratschläge zu erteilen, die dieser jedoch ausschlägt. Problematisch wird das Geschehen immer dann, wenn Tick, Trick und Track ihren Onkel zur Zurückhaltung oder zur Mäßigung ermahnen, Donald die Warnungen allerdings in den Wind schlägt und ganz auf seine Fähigkeiten vertraut. Meist endet diese Selbstüberschätzung dann in einem Debakel.

In vielen Berufs-Geschichten versucht Donald, die Gunst seiner Freundin Daisy für sich zu gewinnen und seinen Ruf bei ihr aufzupolieren. Für Donald ist Daisy oft ein Ansporn, großes Prestige zu entwickeln und sich einen Namen in der ganzen Stadt zu machen. Dann gibt Donald sich gönnerhaft, teilweise auch arrogant und selbstverliebt wie sein Vetter Gustav Gans. Immer wieder ist es Donalds neugewonnener, in diesen Fällen in extremo erkennbarer Hochmut, der dann sein letztliches Ende besiegelt.

Gustav Gans ist auch in normalen Geschichten Donald diametral gegenübergestellt. Im Berufsalltag trumpft er mit seinem ständigen Glück auf, das für ihn die eigentliche Arbeit erledigt, sodass dieser Kontrast einen starken Gegenpol zu Donald bietet, der aus innerem Antrieb heraus agiert und der trotz seines Bemühens ständig scheitert. „Die Botschaft ist so einfach wie klar: Diejenigen, die es verdienen, werden nur selten belohnt, aber diejenigen, die es nicht verdienen, können Erfolg haben, ohne einen Finger dafür gerührt zu haben.“[8] Dennoch lässt sich Donald nicht davon abbringen, sein Schaffen zum Erfolg zu bringen. In den „Meister seines Fachs“-Geschichten, wo Donald kurzfristig Ruhm und Ehre zuteil wird, taucht Gustav gelegentlich am Rande auf und ärgert sich grün vor Neid über die Erfolge seines Vetters. Wenn Gustav im Spiel ist, wie etwa in der Geschichte Der Regenmacher, ist Donalds Abneigung gegen seinen Vetter allerdings meist ursächlich für die Katastrophe.

Eine weitere, in manchen Comics entscheidende Nebenfigur ist ein Vorgesetzter, bzw. Arbeitsaufseher von Donald. Dieser ist bei Barks ein Inbegriff autoritären Denkens und festgesetzter Hierarchien. Der Vorgesetzte weist Donald nie in seine Arbeit ein oder gewährt ihm Hilfe, stattdessen poltert er nur Befehle. Das gute Arbeitsklima wird durch enorme Aggressivität und durch wiederholte Kritik an Donald ersetzt, weil er seine Aufgaben nicht erfüllt. Ausgeblerndet wird hierbei, dass die Abwesenheit des Aufsehers und dass dieser Donald gar nicht sagt, was und wie er es tun soll, für die Katastrophe verantwortlich ist. Damit trägt das System selber die „Fehlerquellen“ in sich (beispielsweise die Fischzucht in Donald, der Herr über alle Geschöpfe (1956) oder der aggressive Parkaufseher in Ein kleines Mißgeschick (1957).[9]

Entwicklung bei Carl Barks

Carl Barks hatte, bevor er 1935 im Alter von 34 Jahren bei den Disney Studios anfing, bereits zahlreiche Berufe ausgeübt und verschiedene Arbeiten verrichtet. Er verdingte sich bei harter körperlicher Arbeit in der Landwirtschaft als Landarbeiter und Erntehelfer, war Laufbursche für eine Druckerei, war für die Eisenbahn tätig, wo er mit Schmiedehämmern und Nieten umzugehen lernte, und arbeitete in einem Reparaturwerk. Des Weiteren arbeitete er als Vieh- und Maultiertreiber, Holzfäller, in einer Schachtelfabrik und einem Sägewerk.[10][11] Sein damals harter Arbeitsalltag schulte ihn im Wissen darum, was alles bei der Arbeit schiefgehen konnte. 1968 schrieb er in einem Brief: „Die Perversität von Tieren, Maschinen und der Natur kannte ich in- und auswendig.“ („The perversity of beasts, machines, and nature I knew by heart.“)[12]

Als Barks schließlich in den Disney Studios zum Drehbuchautor der Donald-Duck-Cartoons aufstieg, konnte er bereits auf diese ersten Erfahrungen zurückgreifen. Gemeinsam mit Jack Hannah schrieb Barks eine Reihe von Cartoons, die Donald beim Ausüben verschiedenster Berufe zeigen, wobei er jedes Mal kläglich dabei scheitert. In etlichen dier Cartoons ist Donald mit störrischen, aufsässigen oder regelrecht bösartigen Tieren konfrontiert, etwa in Old MacDonald Duck oder The Village Smithy. Einige lassen ihn auch an modernen technischen Gerätschaften scheitern – woraus die Handschrift des von Technik faszinierten Barks zu erkennen ist.[13]

Die erste Auseinandersetzung mit Donalds wechselvollem Berufsalltag im Rahmen der Cartoons bereitete den Boden für die Comics, in denen Barks dann das Genre des „Meisters seines Fachs“ entwickeln sollte. Einige dieser Comics griffen dann sogar stark auf die Cartoons und deren Gags zurück.

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Barks wollte an Arbeit als Selbstzweck glauben und folgte den Idealen des charakteristischen „Selfmade-man“, der in der soziologischen Identität der USA auch in den Comics bis in die 1930er hinein fest verankert war. Doch selbst Barks erkannte irgendwann, dass der Konsum von Waren und Dienstleistungen mit aller Macht in den Vordergrund drängte, sodass dem Fleiß und dem Arbeitseifer gegenüber den persönlichen Freiheiten und Vergnügungen weniger Stellenwert zugeschrieben wurde.

Die Entwicklung von Zehnseitern, in denen sich ein Gag entwickeln und entfalten konnte, bot Carl Barks schon in der Anfangszeit die Möglichkeit, vielfältigere Themen in den Handlungen unterzubringen. Donald war nun nicht immer nur der ewige Verlierer und Opfer der Umwelt, sondern teilweise auch seiner Selbst wegen zum Scheitern verurteilt, nachdem er kurzzeitig vermeintliche Erfolge erzielen konnte. Das große Versagen entsteht meist durch Donalds Selbstüberschätzung, kann aber auch für ein Missgeschick oder Aufregung stehen.

In vielen vorherigen Berufs-Geschichten von Barks oder anderen Autoren kann man den Eindruck gewinnen, dass die Fehler immer Donalds Schuld sind. Das liegt allerdings meist daran, dass Donald ständig gezwungen ist, alleine Entscheidungen zu treffen. Da aber diese Fehler den roten Faden der Handlung bilden und den Humor enthalten, hätte Barks seinen Helden niemals fehlerfrei machen können. Gleichzeitig lassen seine Geschichten aber auch vermuten, dass das System selber die „Fehlerquellen“ in sich trägt (beispielsweise die Fischzucht in Donald, der Herr über alle Geschöpfe (1956) oder der aggressive Parkaufseher in Ein kleines Mißgeschick (1957).

Donald in der Arbeitswelt

Eine frühe Geschichte um Donalds Berufssorgen ist „Seemannslos“ von 1944: Frustriert von drei Kündigungen kauft Donald einen alten Frachtkahn und steigt in den internationalen Seehandel ein. Zunächst hat er 200 Schachteln Veilchenseife und 50 Säcke Bohnen an Bord, doch Donald überschätzt einerseits die Seetüchtigkeit seines Kutters und andererseits die Wasserfestigkeit seiner Handelswaren.

Ab 1946 machte Barks nicht nur verstärkt Gebrauch von Daisy, sondern griff nun auch regelmäßig das erzählerisch reizvolle Motiv von Donalds Missgeschicken in diversen Jobs auf. Vor allem in den 1950er Jahren zeigte Barks immer wieder faszinierende Facetten aus Donalds Berufsleben. Donalds nie versiegender, aber dennoch ohnmächtiger Zorn auf die Verhältnisse wurde in den Comics zur Triebfeder bei Carl Barks. „Einer von Donalds beständigsten Wesenszügen ist sein innerer Zwang, Position zu beziehen, Risiken einzugehen, sein Leben zu riskieren und keine Rückzieher zu machen, obwohl er immer wieder Rückschläge einstecken muß“, analysiert der Barks-Forscher Donald Ault Donalds Charakter.[14]

Dass Donald seine Hartnäckigkeit in den Dienst seiner Arbeit stellt und auch vor schwerwiegenden Herausforderungen bei er Bewältigung seines Jobs nicht zurückschreckt, wird in Geschichten wie Der Eilbrief (1953) deutlich, in der Donald sich als wackerer Postbote durch einen Schneesturm kämpft. Ein Jahr später wächst Donald als mutiger Stationsvorsteher in Der heldenmütige Stationsvorstand über sich hinaus. In der Betrachtung lässt sich dadurch ein Wendepunkt in den Berufs-Geschichten erkennen: Wogegen in früheren Geschichten vorrangig Mitleid mit Donald aus seinen ständigen seinen Niederlagen resultierte, ist es nun Donalds kontinuierliche Ausdauer, die als Tugend dargestellt wird.

Donald und der Kampf gegen die Umwelt

Als erste „Meister seines Fachs“-Geschichte kann 1953 „Der Regenmacher“ aus dem Jahr 1953 herangezogen werden. Darin liefert Donald mit seinem Flugzeug und einigen technischen Tricks die punktgenaue Dosierung Niederschlag für seine Kunden, bis sein Übermut in einem Fiasko mündet.


Interpretation

Nicht nur in den „Meister seines Fachs“-Geschichten wird Donalds Kampf gegen die Umwelt thematisiert, der darauf ausgerichtet ist, an die Grenzen des Beherrschbaren und darüber hinaus zu stoßen. Die moderne Technik bot zunehmend Möglichkeiten, diese Grenzen auszutesten und für noch nie dagewesene materielle Bequemlichkeit zu sorgen. Aus dieser Leistung entwickelte sich schnell eine Leidenschaft, die in den Augen der Konsumenten einen echten Erfolg darstellte. Dass dadurch die natürlichen Barrieren überschritten werden, wurde entweder gar nicht oder immer erst viel zu spät berücksichtigt. Eine bewusste Wahrnehmung und zurückhaltende Einschätzung fand nicht mehr statt. Barks sah darin und dem rasanten Wachstum des Konsums in den USA der 1960er Jahre eine Entmündigung der Gesellschaft.

Die „Meister seines Fachs“-Geschichten sind daher auch als Satire über das selbstbewusste Amerika zu verstehen, die traditionelle amerikanische Werte und seine Liebe zum Erfolg in Frage stellt. Die scheinbare Meisterhaftigkeit Donalds erscheint derart fantastisch, dass sie in ihrer Unglaubwürdigkeit geradezu lächerlich daherkommt. Donalds gekünstelte Aktionen sind unvorstellbare Fantasien über Macht und Kontrolle, die man auch als Träume ansehen kann, „in denen Donald sich mit der Eleganz eines Ballettänzers unter Menschen und Requisiten bewegt, die er benötigt, um sein Können unter Beweis zu stellen.“[15]

Im Verlauf der Storys wird klar, dass es sich bei Donalds manipulativen Eingriffen, die er angeblich in Perfektion beherrscht und voll unter Kontrolle hat, um eine Illusion handelt. Bei Barks ist diese grundlegende Illusion der Kontrolle ein grundlegendes Kennzeichen im Selbstverständnis der technisch-rationalen Gesellschaft. Am Ende rächt sich die Umwelt für die Anmaßungen.

Aber Donald ist nicht der Einzige, der Fehler gemacht hat und diese Gegenschläge der Natur zu spüren bekommt. Auch seine eloquenten Auftraggeber, die sein Handeln nicht hinterfragen und die Dienste des vermeintlichen Meisters (zum Teil) aus Faulheit zu gern in Anspruch nehmen, trifft eine Mitschuld. Die Überschätzung von Donalds Fähigkeiten und der Verzicht auf Sicherungsmaßnahmen, um Risiken im Ernstfall vorausschauend einzudämmen, ist ihnen ebenfalls anzulasten. Eine Geschichte wie Der Regenmacher zeigt, „dass das Vorgehen und die Haltung des Regenmachers gegenüber der Natur symptomatisch für die auf allen Ebenen der Gesellschaft vorhandene zerstörerische Mentalität ist.“[16] Wenn die Bauern und Ausflügler nicht so besessen davon wären, das Wetter zu ihren Gunsten zu beeinflussen, gäbe es für Donalds Fertigkeit gar keinen Beruf. Anders ausgedrückt muss der Meister Donald Duck sich gar nicht groß darum bemühen, für sein Angebot einen neuen Markt zu schaffen, weil die (heimliche) Nachfrage bereits in den Konsumenten angelegt ist.

Donals als Meisterfriseur in Donald, der Haarkünstler (© Egmont Ehapa)

Beispiele (Auswahl)

Comics von Carl Barks (Auswahl)

Comics von anderen Künstlern

Comics aus Italien

Kompilationen

Im Jahr 1988 brachte der Gladstone Verlag den Einzeltitel Walt Disney's Donald Duck: The Brittle Mastery of Donald Duck heraus, der die vier Geschichten Der Regenmacher, Ein Meister seines Fachs, Glück und Glas (1959) und Donald der Haarkünstler enthält.

Mit dem Sammelband Donald Duck – Sein Leben, seine Pleiten erschien im Jahr 2016 in der Egmont Comic Collection eine Publikation, die sich ausschließlich um Donalds Berufe und die damit verbundenen Sorgen geht. In vielen Geschichten ist Donald auch als „Meister seines Fachs“ unterwegs oder probiert sich in verschiedensten Berufen aus.

Auch die LTB Enten-Edition 18, LTB Enten-Edition 78 und das LTB Spezial 70 (Nachdruck als Enthologien 44) sind auf Donalds bewegten Berufsalltag fokussiert.

Die französische Mini-Serie Donald in 1001 Jobs, später Donalds irre Jobs (orig. Les petits boulots de Donald) war eine Onepager-Comicserie mit Donald Duck in der Hauptrolle, der sich in verschiedenen Berufen ausprobiert. Die Zeichnungen stammen von Santiago Barreira und dem Comicup-Studio, die Storys schrieben Gérard Cousseau („Gégé“) und Jean-Loïc Belhomme („Belom“). Auf Deutsch erschien die Serie im Micky-Maus-Magazin, und zwar zum großen Teil auf der Heftrückseite zwischen den Jahren 2002 und 2003.

Einzelnachweise

  1. Geoffrey Blum, Thomas Andrae: „Held der Arbeit – Teil 2: Ein Meister seines Fachs“. Hintergrundtext aus Barks Library Nr. 37
  2. „As the owner of a business, acting as some kind of an expert. Carries out jobs most satisfactorily until the all important task is given him which he fails catastrophically.“
    Joakim Gunnarsson (25.07.2015). „Disney Magazines: The main characters and their background“. sekvenskonst.blogspot.com
  3. 3,0 3,1 Freddy Milton. „Doing It the Barks Way“. freddymilton.dk
  4. Geoffrey Blum, Thomas Andrae: „Held der Arbeit – Teil 2: Ein Meister seines Fachs“. In: Barks Library 37, S. 3.
  5. Geoffrey Blum, Thomas Andrae: „Held der Arbeit – Teil 2: Ein Meister seines Fachs“. In: Barks Library 37, S. 3.
  6. Geoffrey Blum, Thomas Andrae: „Held der Arbeit – Teil 2: Ein Meister seines Fachs“. In: Barks Library 37, S. 3.
  7. Geoffrey Blum, Thomas Andrae: „Held der Arbeit – Teil 1: Der geborene Verlierer“
  8. Geoffrey Blum, Thomas Andrae: „Held der Arbeit – Teil 1: Der geborene Verlierer“. In: Barks Library 35, S. 3.
  9. Geoffrey Blum, Thomas Andrae: „Held der Arbeit – Teil 1: Der geborene Verlierer“. In: Barks Library 35, S. 5.
  10. Thomas Andrae (2006): Carl Barks and the Disney Comic Book (Jackson, Mississippi: Univ. Press of Mississippi) S. 24–26.
  11. Michael Barrier (1981): Carl Barks and the Art of the Comic Book (New York: M. Lilien) S. 7–9.
  12. Barrier: Carl Barks and the Art of the Comic Book, S. 4.
  13. Andrae: Carl Barks and the Disney Comic Book, S. 48.
  14. Donald Ault: Donalds Karma. In: Barks Library 10, S. 3.
  15. Geoffrey Blum, Thomas Andrae: „Held der Arbeit – Teil 2: Ein Meister seines Fachs“. In: Barks Library 37, S. 3.
  16. Geoffrey Blum, Thomas Andrae: „Held der Arbeit – Teil 2: Ein Meister seines Fachs“. In: Barks Library 37, S. 3.